Debatten bis spät in den Abend

Die Gemeindevertretung diskutiert über Hunde, Spielplätze und eine öffentliche Toilette

Kontroverse, debattierfreudige Lokalpolitik erlebten Schülerinnen und Schüler der Regine-Hildebrandt-Gesamtschule am Dienstagabend in Birkenwerder. Sie waren zu Gast bei der Septembersitzung der Gemeindevertretung – und als sie sich kurz nach 21 Uhr auf den Heimweg machten, war die Diskussion noch lange nicht beendet. Die letzten Tagesordnungspunkte im öffentlichen Teil mussten vertagt werden, da nach 22 Uhr keine Entscheidungen mehr getroffen werden dürfen. Auf der Tagesordnung standen unter anderem Entscheidungen zur neuen Lüftungsanlage in der Grundschule, einem neuen Spielplatz am August-Bebel-Platz und der Leinenzwang für Hunde im Ort. 

Ausführlich beriet die Gemeindevertretung über die neue „Ordnungsbehördliche Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“. Hintergrund ist, dass die aktuelle Verordnung von 2007 Mitte November dieses Jahres ausläuft. Sollen bestimmte Aspekte Gebote und Verbote weiterhin geregelt bleiben, muss also eine neue Verordnung her. 

Schritt für Schritt arbeitete sich die Gemeindevertretung durch die neue Verordnung. Daniela Oeynhausen (AfD) beantragte dabei die Streichungen des Satzes, dass keine unbefugten Pflanzungen auf Verkehrsflächen, Straßen, Grünflächen oder Anlagen vorgenommen werden dürfen. „Ich denke, wir sollten die Tulpenzwiebeln nicht verbieten“, sagten sie. Susan Gehring, die Justiziarin der Gemeinde, erklärte, dass es nicht um das Verbot von Tulpen gehe, sondern darum, dass man sich vorher mit der Verwaltung abstimmen sollte, damit kein Schaden verursacht werde. „Der Bürger weiß nicht, wo Medienleitungen entlanglaufen.“ Oeynhausens Antrag wurde abgelehnt. 

Ein kontrovers diskutiertes Thema war, wie und wo Hunde in Birkenwerder mitgeführt werden dürfen. Susan Gehring wie darauf hin, dass es immer wieder zu „Beißvorfällen“ komme. Wie Alexandra Stolzenburg (IOB-BiF) berichtete, werden vor allem Kinder auf Inline-Skates häufig von Hunden angebellt. Bisher gilt im Ort Birkenwerder ein allgemeiner Leinenzwang, der durch die neue Verordnung teilweise gelockert werden würde. Die Gemeindevertreter und -vertreterinnen einigten sich jedoch am Ende der Diskussion darauf, dass es bei der alten Regelung, also dem allgemeinen Leinenzwang, bleibt. 
Kerstin Hoffmann (Bündnis 90/ Die Grünen/ Briesetalverein) regte an, über die Einrichtung eines Hundeauslaufplatzes nachzudenken. Sie beantragte auch, dass Hunde künftig an der Leine mit auf Spielplätze genommen werden dürfen. Sie argumentierte, dass es sonst Schwierigkeiten für Menschen gäbe, die Kinder und Hunde haben. Die Tiere gehörten zur Familie, sagte sie. Nach einiger Diskussion wurde der Antrag mehrheitlich abgelehnt. Hunde dürfen demnach auch in Zukunft Hunde nicht mit auf Spielplätze genommen werden. 

Feuerwerk bleibt außerhalb von Silvester in Profi-Hand

Ein weiteres Thema war, wie oft und in welchem Ausmaß Feuerwerk in Birkenwerder erlaubt sein sollte. Auf der einen Seite stand der Wunsch von Gemeindevertreterinnen und -vertretern, zu Anlässen wie Hochzeiten oder Geburtstagen private Feuerwerke zu ermöglichen. Auf der anderen Seite äußerten sie Bedenken bezüglich Sicherheit, Umweltschutz und Waldbrandgefahr. Vorgesehen war in der neuen Verordnung, dass außerhalb von Silvester und Neujahr zehn Feuerwerke beantragt werden dürfen. Aus der Fraktion der CDU kam der Einwand, dass einzelne Veranstalter, die sich frühzeitig melden, es anderen unmöglich machen könnten, zu einem späteren Zeitpunkt Feuerwerk zu beantragen. Eine Mehrheit erhielt schließlich der Vorschlag, dass pro Jahr zehn professionelle Feuerwerke pro Antragsteller beziehungsweise Veranstaltungsort beantragt werden können, insgesamt dürfen bis zu 20 Feuerwerke stattfinden. Für Privatleute sei es möglich, für ihre privaten Feiern Profis zu engagieren, sagte Bürgermeister Stephan Zimniok (IOB-BiF). 

Für irritierte Nachfragen sorgte das Verbot, im Winter Eisflächen zu betreten. Susan Gehring erklärte daraufhin, dass Schilder wie „Betreten auf eigene Gefahr“ die Gemeinde nicht von ihrer Verkehrssicherungspflicht entbinde. „Das reicht einfach nicht.“ Wenn etwas passiere, sei man schnell „mit einem Bein im Knast“, sagte Bürgermeister Zimniok. Die Gemeindevertretung entschied letztendlich, dass das Verbot bestehen bleibt. 

Neue raumlufttechnische Anlage für die Pestalozzi-Schule

Mit großer Mehrheit beschloss Gemeindevertretung den Einbau einer sogenannten zentralen raumlufttechnischen Anlage in allen Lernräumen der Pestalozzi-Grundschule. Das betrifft etwa 40 Räume sowie optional auch Lehrerzimmer und Mehrzwecksaal. Bereits seit Jahren strebe die Schule eine Verbesserung der Be- und Entlüftung aller Räume an, heißt es im Beschlusstext. Bürgermeister Zimniok sagte, dass diese Anlage essenzieller Baustein der künftigen Wärmeversorgung des Gebäudes sein soll, da sie auch in die Wärmerückgewinnung eingebunden werde. 
Die Kosten betragen Schätzungen zufolge etwa zweieinhalb Millionen Euro. Über ein Förderprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums hat die Gemeinde einen Zuschlag über 400.000 Euro bekommen. Die Fördermittel können nach aktuellem Stand aber nur abgerufen werden, werden das Projekt bis Anfang September 2023 fertiggestellt ist. Dieser Termin könne voraussichtlich nicht gehalten werden kann, heißt es in der Beschlussvorlage. 
Sie sei „sehr geschockt“ gewesen, als sie von den aktuell geschätzten Kosten des Projektes erfahren hat, sagte Daniela Oeynhausen (AfD) und wollte wissen, wann sich diese Investition durch die Wärmerückgewinnung amortisieren werde. Dazu könne man noch keine Prognose abgeben, sagte Stephan Zimniok. Er verwies darauf, dass das Ziel der Anlage nicht nur sei, Geld zu sparen, sondern in erster Linie weniger Energie zu verbrauchen. 
Klaus-Günter Schnur (Fraktion ProBirke) fragte, wie in Zukunft damit umgegangen werden solle, wenn Lehrer, Lehrerinnen, Schülerinnen und Schüler ins Klassenzimmer kommen, aus Gewohnheit „die Fenster aufreißen“ und dadurch den Betrieb der Anlage stören. Die Gemeinde werde – statt die Fenster zu verriegeln – lieber auf den Lerneffekt der Beteiligten setzen, sagte Zimniok. Auf Antrag von Susanne Kohl (SPD) wurde in den Beschlusstext zur raumlufttechnischen Anlage aufgenommen, dass die Verwaltung die Gemeindevertretung quartalsweise über den aktuellen Stand des Projekts informieren und den Zeitplan an den Baufortschritt anpassen soll. 

August-Bebel-Platz bekommt Spielplatz und öffentliche Toilette

Mehrheitlich positiv fiel das Votum der Gemeindevertretung hinsichtlich einer Umgestaltung des August-Bebel-Platzes aus, der zwischen der Bergfelder Straße, Unter den Ulmen und Birkensteig liegt. Hier sollen ein Spielplatz und eine öffentliche Toilettenanlage entstehen. Die Kosten hierfür schätzt die Verwaltung auf 900.000 Euro – plus jährlich für den Unterhalt des Spielplatzes rund 21.000 und für den Betrieb der Toilette rund 25.000 Euro. 
Dieter Bauer und Daniela Oeynhausen (AfD) kritisierten das Vorhaben. Bauer fragte, wann entschieden wurde, das Planungsbüro zu beauftragen und bat, Einblick in die Vergabedokumentation zu bekommen. Stephan Zimniok und Susan Gehring erläuterten den Ablauf der Entscheidungen. Die AfD habe einen Fragenkatalog vorgelegt, den die Verwaltung bereits beantwortet habe. Mit einem Formular können Mitglieder der Gemeindevertretung Akteneinsicht beantragen, erklärte der Bürgermeister. 
Die dargelegten Informationen seien nicht ausreichend, sagte Daniela Oeynhausen. „Wir haben Kosten von einer knappen Million Euro. Da müssten sie inzwischen schätzen köNonen, wie hoch das Architektenhonorar sein wird.“ Zum jetzigen Stand gäbe es nur grobe Zahlen, die Ausschreibung sei noch nicht erfolgt, sagte Zimniok. 
Oeynhausen schlug vor, nur den Spielplatz, nicht aber die Toilette zu bauen. Für die wenigen Menschen, die diese nutzen würden, sei das Projekt zu teuer, sagte sie und verwies auf eine Toilette, die es beim Bahnhof geben werde. Alexandra Stolzenburg erklärte, dass die Bahn dort kein öffentliches WC plane. Deshalb sei die Anlage am August-Bebel-Platz für die Bürgerinnen und Bürger so wichtig. „Wir möächten diese Toilette unbedingt für Birkenwerder.“
Susanne Kohl rief in Erinnerung, dass die Gemeinde sich mit dem Bau eines zusätzlichen Zaunes beschäftigen wollte, um das Gelände zu schließen und zu ermöglichen, dass kleine Kinder dort sicher spielen könnten. Die Verwaltung werde das aufnehmen, sagte Bürgermeister Zimniok. Allerdings sei nicht klar, ob sich das Vorhaben mit dem Denkmalschutz vereinbaren lasse. 

Noch keine Bewerbungen für Alten Krugsteig

Mit weniger deutlicher Mehrheit stimmten die Gemeindevertreter und -vertreterinnen für die Satzung über den Bebauungsplan „Alter Krugsteig". Beschlossen wurde damit die Abwägung zu den Stellungnahmen, die im Rahmen der Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden und der sonstigen Träger öffentlicher Belange zum Entwurf des Bebauungsplans eingegangen waren. Die Gemeindeverwaltung wird durch den Beschluss beauftragt, den Bebauungsplan durch öffentliche Bekanntmachung in Kraft zu setzen. 
Auf die Ausschreibung für die Errichtung und den Betrieb von Wohnungsanlagen habe sich bisher niemand beworben, berichtete der Bürgermeister. Die Verwaltung werde dazu in den nächsten Sitzungen der Ausschüsse weitere Informationen geben. 
Dass sich niemand beworben habe, sei auf den Bebauungsplan zurückzuführen, sagte Susanne Kohl. Potenzielle Bewerberinnen und Bewerber stünden aktuell vor erheblichen Herausforderungen, was Bau-, Planungs- und Ordnungsrecht angehe. Sie kritisierte unter anderem, dass zahlreiche Fachgutachten vorgelegt worden seien, diese jedoch in keinem Ausschuss begutachtet worden seien. Ein seit langem gefordertes Umweltgutachten sei immer noch nicht erstellt worden. Sie selbst sprach sich ausdrücklich gegen den Bebauungsplan aus. 

Schienenersatzverkehr blockiert Straße: Keine Handhabe für Stadt

In der Einwohnerfragestunde meldete sich unter anderem Dieter Bauer zu Wort. Er wohne seit 2014 in der Gemeinde, habe aber noch nie so eine „desolate Verkehrssituation“ um den S-Bahnhof erlebt wie jenem Morgen, als wegen der Baustelle am Bahnhof Schienenersatzverkehr herrschte und Gelenkbusse die Straße blockierten. Er fragte, ob sich keine andere Regelung treffen lasse. Der Verwaltung seien in diesem Fall die Hände gebunden, da die Baustelle ordnungsgemäß beantragt und mit der Straßenverkehrsbehörde abgestimmt worden sei, sagte Bürgermeister Zimniok. Er kritisierte, dass die Deutsche Bahn die Öffentlichkeit nicht angemessen informiert habe. Nun müsse man darauf setzen, dass sich die Verkehrsteilnehmenden an die Situation gewöhnen uns sich dementsprechend verhalten. 

Unter der Rubrik „Informationen der Verwaltung“ zog Stephan Zimniok ein Resümee zweier August-Veranstaltungen auf der Festwiese am Rathaus – darunter ein Konzert von Maxi Giesinger. Am ersten Abend seien die Lärmschutzauflagen nicht eingehalten worden, deshalb sei er um halb eins in der Nacht – zum vereinbarten Veranstaltungsende – eingeschritten, berichtete der Bürgermeister. An jenem Abend habe es eine Handvoll Beschwerden wegen Lautstärke gegeben. Der Samstag sei daraufhin ein „recht entspannter Tag“ gewesen. Für den nächsten Monat seien eine 80er-/90er-Jahre-Party und ein Oktoberfest geplant. 
Daniela Oeynhausen kritisierte, dass das Konzert von Max Giesinger für die Gemeinde ein Verlustgeschäft gewesen sei und fragte, ob im Oktober Gewinn gemacht werden würde. Stephan Zimniok antwortete, die Veranstaltungen seien ein Testlauf gewesen, um die Wiese als Veranstaltungsort für die Bürgerinnen und Bürger zu etablieren. Bei den nächsten Veranstaltungen werde die Gemeinde nicht draufzahlen. „Ziel ist, dann bei Null rausgekommen“. Torsten Werner (Bündnis 90/ Die Grünen/ Briesetalverein) unterstrich, dass es nicht darum gehe, Geld zu verdienen, sondern die Wiese als Kulturort zu bespielen.


Text/Foto: id