Zum Nicht-Vergessen beitragen: Gedenken an die Reichspogromnacht

Anlässlich des 83. Jahrestages der Reichspogromnacht fand am 9. November eine Gedenkveranstaltung am Gedenkstein gegenüber vom S-Bahnhof in Birkenwerder statt. Vertreterinnen und Vertreter von SPD, IOB-BiF, Die Linke, AfD und vom Geschichtsstübchen folgten der Einladung der Gemeinde Birkenwerder, gemeinsam zum Nicht-Vergessen der Gräueltaten des NS-Regimes beizutragen. 

 

 

Der 9. November sei kein Tag wie jeder andere in Birkenwerder, so Bürgermeister Stephan Zimniok. Er sei für viele durch den Mauerfall mit Jubel und Hoffnung verbunden. Doch um nicht zu vergessen, dass dieser Tag nicht nur für Freude steht, stünden er und alle Anwesenden heute am Gedenkstein, der an alle jüdischen Einwohner Birkenwerders erinnert, die durch das Nazi-Regime verfolgt oder ermordet wurden.

Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, die Reichspogromnacht, gilt als Beginn der systematischen Vernichtung der jüdischen Bevölkerung durch die Nationalsozialisten. In dieser Nacht wurden tausende Jüdinnen und Juden misshandelt, verhaftet oder getötet. Ihre Geschäfte wurden geplündert und zerstört. Synagogen wurden in Brand gesetzt.

Konkrete jüdische Schicksale in Birkenwerder

In Anlehnung an Kiezspaziergänge, wie sie in Berlin zum Gedenken und Erinnern oft durchgeführt werden, teilte Zimniok mit den Anwesenden die Geschichte des Birkenwerderaners Erich Seidel. Seidel war unehelich als Sohn eines jüdischen Vaters auf die Welt gekommen und wurde später von seiner Mutter in eine Pflegefamilie in Berlin gegeben. Nachdem Erich Seidel seine Frau Charlotte Gärtner kennengelernt hatte, zogen sie gemeinsam nach Birkenwerder. Zeit seines Lebens versuchte er, seine jüdische Herkunft zu verbergen. Er musste mangels Arier-Nachweises zwar aus der NSDAP austreten, ansonsten gelang es ihm jedoch gut, nicht als (Halb-)Jude aufzufallen. So gut, dass er nach dem Krieg von Nachbarn als vermeintlicher Nazi an die Russen verraten und ins ehemalige KZ Buchenwald gebracht wurde, wo er 1947 verstarb.

Die Informationen zum Schicksal von Erich Seidel stammen aus einer Facharbeit eines Schülers der Regine-Hildebrandt-Schule, die sich auf die Recherchen von Vera Paulick und dem Geschichtsstübchen stützt, erklärte Bürgermeister Stephan Zimniok. Vera Paulick berichtete daraufhin, dass die Recherchen, die sie und ihre Kolleginnen und Kollegen vom Geschichtsstübchen 2015 und 2016 durchgeführt hatten, niemanden unberührt gelassen hatten. 51 jüdische Lebensschicksale aus Birkenwerder hatten die Mitglieder des Geschichtsstübchen gefunden und in einer Ausstellung veröffentlicht. Vermutlich gäbe es noch mehr, so Paulick. Das Geschichtsstübchen initiierte daraufhin den Gedenkstein, der gegenüber vom S-Bahnhof Birkenwerder steht und einen „würdigen Ort darstellt, um an die Reichspogromnacht zu erinnern und den Schicksalen zu gedenken.“ 

Weiterhin an Birkenwerderaner Schicksale erinnern

Die Gemeinde Birkenwerder will in den kommenden Jahren jeweils zum Jahrestag der Reichspogromnacht weitere jüdische Schicksale aus Birkenwerder vorstellen und dadurch das Nicht-Vergessen fördern. 

Anders als zuvor wurde die Veranstaltung in diesem Jahr musikalisch begleitet. Michael Netzker spielte auf der Trompete ein Thema aus Schindlers Liste, das jüdische Lied „Das einsame Kind“ und „Ich bete an die Macht der Liebe“ und verlieh damit der Veranstaltung eine festliche und andächtige Note.

Text/Foto: os

Bildunterschrift: Die Gemeinde Birkenwerder und Vertreter*innen vom Geschichtsstübchen, die Linke und der SPD legten Blumen und Kerzen am Gedenkstein für die verfolgten und ermordeten Juden nieder.